Schmalbindiger Breitflügel-Tauchkäfer

Graphoderus bilineatus (DeGeer, 1774)

Natura 2000: Anhang II, Anhang IV

Schmalbindiger Breitflügel-Tauchkäfer

Der Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer Graphoderus bilineatus weist als eurosibirische Art ein Verbreitungsareal von Mittel- und Nordeuropa ostwärts bis Westsibirien auf, in Europa mit Schwerpunkt in der kontinentalen und borealen biogeografischen Region (NILSSON & HOLMEN, 1995, HENDRICH & BALKE, 2003b). Historische Fundmeldungen (REITTER, 1908; HORION, 1941; HENDRICH & BALKE 2000, 2003b) belegen, dass die Art in Deutschland einst weit verbreitet und nicht selten war. Rezente Nachweise der letzten 25 Jahre beschränken sich fast ausschließlich auf den Norden und Osten des Landes (v.a. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen), vereinzelte Funde sind aus dem Südwesten Deutschlands (Baden-Württemberg und Bayern) bekannt. Lebensräume stellen vegetationsreiche Stillgewässer und langsam fließende Gewässer > 0,5 ha dar, die einen perennierenden Charakter und geringe Wassertiefen aufweisen. Als Fortpflanzungsgewässer dienen sowohl natürliche als auch anthropogen entstandene Gewässer, die ausgedehnte und stark besonnte Flachwasserbereiche mit größeren und strukturreichen Beständen emerser und submerser Vegetation aufweisen sowie ausgeprägte Verlandungszonen und naturnahe Flachufer besitzen (HENDRICH & BALKE, 2003b; CUPPEN et al., 2006; HENDRICH & SPITZENBERG, 2006b; RINGEL et al. 2011b; HENDRICH et al. 2012b). Für Sachsen-Anhalt liegen alte Nachweismeldungen zumeist aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vor (FICHTNER, 1983; MALCHAU & SCHORNACK, 2000). Jene lassen ebenso wie die 1989 und seit 2000 erfassten Fundorte der Spezies (HOHMANN, 2003; SPITZENBERG, 2003; SPETH & BRINKMANN, 2004; BERNHARD, 2007; MALCHAU, 2010a; SCHNITTER, 2013, pers. Mitteilung; SPITZENBERG, 2015, pers. Mitteilung) eine Konzentration im Gebiet um Dessau und Lutherstadt Wittenberg erkennen. BRANDT & MORITZ (2015) untersuchten in den Jahren 2013-2015 in Sachsen-Anhalt 26 ausgewählte Gewässer. Es erfolgte hierbei der Nachweis von 129 Individuen der Spezies Graphoderus bilineatus in 13 Untersuchungsgewässern, wobei 61 % aller Funde im FFH-Gebiet 0071 „Untere Schwarze Elster“ verzeichnet werden konnten. Weitere FFH-Gebiete mit aktuellem Nachweis sind FFH-Gebiet 0067 „Dessau-Wörlitzer Elbauen“, 0075 „Alte Elster und Rohrbornwiesen bei Premsendorf“, 0129 „Untere Muldeaue“ sowie 0132 „Lausiger Teiche und Ausreißerteich östlich Bad Schmiedeberg“. Alle erfassten Vorkommen befinden sich in der Kontinental-Region D10 „Elbe-Mulde-Tiefland“.

Aufgrund der rezenten Nachweise kann davon ausgegangen werden, dass G. bilineatus in Sachsen-Anhalt seinen Verbreitungsschwerpunkt in den Altgewässern der mitteldeutschen Flüsse Elbe, Mulde und Schwarze Elster inne hat (BRANDT & MORITZ, 2015). Es ist zu mutmaßen, dass weitere Vorkommen noch unentdeckt sind. Kenntnisdefizite bestehen insbesondere über das Vorkommen westlich der bis dato bestätigten Nachweisgebiete. Es sollte das Bestreben sein, diese in den kommenden Jahren durch spezifische Untersuchungen zu schließen.

Erfassung der Verbreitung

Um das Verbreitungsgebiet der Art in Sachsen-Anhalt sowie dessen mögliche Veränderungen erfassen zu können, werden alle Präsenznachweise gesammelt und auf Basis der TK 25 dargestellt. Als Verbreitungsgebiet gilt dann die gesamte Fläche der „positiven“ TK 25, d.h. mit mindestens einem aktuellen Präsenznachweis. Die Erfassung der Nachweise erfolgt laufend, die Auswertung zum Ende des jeweiligen Berichtszeitraumes.

Messgröße für den Gesamtbestand ist nach PAN & ILÖK (2009b) die Anzahl der Vorkommen, für die Habitatgröße die Anzahl der Fundorte.

Erfassungsmethodik

Grundlage für die Vorgehensweise ist das Kartier- und Bewertungsschema des Bundesamtes für Naturschutz (in PAN & ILÖK, 2010), welches im Wesentlichen auf den von SCHNITTER et al. (2006) publizierten Erkenntnissen basiert. Vom Bearbeiter wurden die Erfassungsmodalitäten der Vorkommen sowie das vorgeschlagene Bewertungsschema für Sachsen-Anhalt (erarbeitet von L. Hendrich & D. Spitzenberg in SCHNITTER et al. (2006)) durch einige Präzisierungen ergänzt.

Bezugsraum: Bezugsraum der Erfassung und Bewertung sind abgrenzbare Teilpopulationen (Vorkommen in einzelnen Gewässern bzw. zusammenhängenden Gewässerkomplexen) unabhängig von der administrativen Abgrenzung der FFH-Gebiete. In einem FFH-Gebiet können demnach mehrere Bezugsräume (Besiedlungsgewässer) und somit zu bewertende Vorkommen differenziert werden.

Erfassungsturnus: Populationsgröße: 1 Untersuchungsjahr pro Berichtszeitraum, 2 Fangperioden pro Untersuchungsjahr
Habitatqualität und Beeinträchtigungen: einmalige Erhebung pro Berichtszeitraum

Vom Bearbeiter wird angeraten, mindestens im 2-jährigen Turnus zu verfahren, da die Besiedlungsgewässer aufgrund ihrer geringen Wassertiefe häufig Wasserstandschwankungen unterliegen. So können Populationsgröße, Habitatqualität und Beeinträchtigung jährlich stark differieren.

Populationsgröße / Imagines: Die Erfassung der Imagines erfolgt mittels beköderter Reusenfallen (mit Leber bestückte Kleinfischreusen nach HENDRICH et al., 2012b). Jene Fallen haben den Vorteil, dass die gefangenen Tiere die Möglichkeit besitzen, zum Austausch der Atemluft an die Wasseroberfläche zu gelangen. Die Verwendung von Ködermaterial erhöht bzw. gewährleistet die Fangwirkung. Im Untersuchungsgewässer wird an 5-6 ausgewählten Probestellen (Flachwasserbereiche mit ausgeprägter emerser Vegetation, besonders Carex, Glyceria, und Typha) in einer Wassertiefe von 20-50 cm jeweils eine Reusenfalle platziert, deren Öffnung vorzugsweise zur Gewässermitte zeigt. Nach 24 Stunden erfolgen die Leerung der Reusen, die Aufnahme der Fangergebnisse sowie die Neubestückung der Reusen mit Ködermaterial. Die Anzahl aller erfassten Imagines eines Gewässers pro Tag (Summe aller Reusenfänge eines Gewässers nach 24 Stunden) entspricht der Anzahl der Nachweise je Probe. Potentielle Besiedlungsgewässer werden zweimalig im Jahr zwischen Ende April und Anfang Mai sowie zwischen Anfang Juli und Mitte August (BRANCUCCI, 1979) mit jeweils 3-4 Probenahmen (Gesamtfangdauer 2 mal 3-4 Tage) untersucht. Ergänzend sind Wassernetzkescher-Fänge angeraten. Nach BRANDT & MORITZ (2015) ist ein Nachweis mittels dieser Erfassungsmethode oftmals nur erfolgreich, wenn der erste Kescherzug vom Ufer aus zügig, in geringer Wassertiefe zwischen den emersen sublitoralen Helophyten vorgenommen wird. Bei geringster Wasserbewegung flüchten die adulten Käfer in tiefere Wasserschichten und der zweite Kescherzug bleibt erfolglos. Nachweise durch Kescherfänge fließen in die Anzahl der Nachweise je Probe ein. Die Beprobung eines Gewässers sollte an niederschlagsfreien, sonnigen Tagen stattfinden, um eine maximale Erwärmung der Flachwasserzonen zu gewährleisten, welche erfahrungsgemäß die Fangerfolge erhöht.
Im Bewertungsschema werden folgende Kriterien erfasst:

  • Nachweishäufigkeit (Populationsdichte) als prozentualer Anteil der Proben mit Nachweis im Untersuchungsjahr
  • Populationsgröße als Anzahl erfasster Imagines je Probe (gefangene Individuen pro 24 h)

Habitatqualität: Erfassung wesentlicher Habitatparameter entsprechend der Kriterien des Bewertungsschemas:

  • Gewässergröße
  • Anteil der Flachwasserzonen < 0,3 m Tiefe (> 50 % = ausgeprägt, 20-50 % = mäßig ausgeprägt, < 20 % = gering ausgeprägt)
  • Beschattungsgrad der Flachwasserbereiche (0 %, ? 30 %, > 30 %)
  • Ausbildung der submersen Vegetation (ausgeprägt = Deckung > 50 %, mäßig ausgeprägt = Deckung 20-50 %, wenig ausgeprägt = Deckung < 20 %)
  • Ausbildung emerser Pflanzenbestände von Amphiphyten und Hydrophyten mit emersen Pflanzenteilen, die zur Eiablage geeignet sind (größere Bestände, mäßig große Bestände, geringe Vorkommen)

Beeinträchtigung: Erfassung hydrologischer und trophischer Gewässerparameter zur Charakterisierung der Beeinträchtigung entsprechend der Kriterien des Bewertungsschemas:

  • Eutrophierungsgrad / Nährstoffhaushalt (kaum oder gering eutrophiert = Trophiestufe I und II, mäßig eutrophiert = Trophiestufe III, mittel bis stark eutrophiert = Trophiestufe III-IV, IV und V); Klassifizierung nach den trophischen Kriterien mittlere Gewässertiefe, Ortho-Phosphat, Ammonium-Stickstoff und gelöstes Eisen (gekürzt nach MUW, 1982 in BRANDT & MORITZ, 2015); ergänzend können nach PAN & ILÖK (2010) die Sichttiefe und das Algenwachstum zur Klassifizierung herangezogen werden (Trophiestufe I = große Sichttiefe, geringes Algenwachstum, II = mittlere Sichttiefe, mäßiges Algenwachstum, III = geringe Sichttiefe, starkes Algenwachstum mit regelmäßigen Algenblüten, IV-V = Sichttiefe nur im Zentimeterbereich, massive Algenentwicklung oft mit Blaualgendominanz)
  • Wasserstandschwankungen (kaum vorhanden, gering vorhanden, regelmäßig gegeben) und dadurch verursachte Beeinträchtigung der submersen Vegetation in den Flachwasserbereichen