Fischotter

Lutra lutra (Linnaeus, 1758)

Natura 2000: Anhang II, Anhang IV

Ende der 1980er Jahre, stärker in den 1990er Jahren, wurde eine Erholung und Wiederausbreitung der Fischotterpopulation beobachtet. Es erfolgte ein Anstieg der Nachweise auch außerhalb der großen Flussauen. Aus den vorliegenden Erkenntnissen lässt sich in Sachsen-Anhalt aktuell eine Erweiterung der Verbreitung in südwestliche Richtung postulieren. Während HAUER & HEIDECKE (1999) noch die Elbe als westliche Verbreitungsgrenze der Fischotterpopulation Osteuropas ansahen, hat sich diese Grenze aktuell (Stand 2007) ins nördliche Niedersachsen verlagert.

Neu besiedelte Gewässer seit HAUER & HEIDECKE (1999) sind (geordnet nach biogeografischen Regionen [nach HEIDECKE et al., Script]): in der atlantischen Region die Aller und in der kontinentalen Region: westlich der Elbe: Landwehr, Flieth, Kapengraben, Ohre, Drömling, Tanger, Dollgraben, Aland, Uchte, Biese, Seege, Beeke, Dumme und Flötgraben sowie östlich der Elbe: Olbitzbach, Rossel, Nuthe, Ehle und Karthane. Im Muldeeinzugsbereich die Taube, Fuhne und Sollnitzbach, im Saaleeinzugsbereich Bode, Wipper, Salza, Weiße Elster, Unstrut, Helme und Thyra sowie in der Havelregion Elbe-Havel-Kanal, Stremme und Tuchheimer Bach. Das gegenwärtige Verbreitungsbild für Sachsen-Anhalt entspricht etwa dem Mitte des 20. Jahrhunderts. Der zwischenzeitliche Rückgang wurde durch die Einwanderung von Tieren aus den Kernverbreitungsgebieten Brandenburgs und Sachsens ausgeglichen.

Hinsichtlich der Fischotterverbreitung sind für das Land Sachsen-Anhalt aktuell folgende naturräumliche Haupteinheiten (D-Einheiten nach BfN) relevant: D09 — Elbtalniederung; D10 — Elbe-Mulde-Tiefland und D11 — Fläming. Die Naturräumlichen Haupteinheiten D29 — Wendland und Altmark sowie D31 — Weser-Aller-Flachland sind ebenso wie Teile der Naturräumlichen Haupteinheit D20 — Mitteldeutsches Schwarzerdegebiet besiedelt.

Seit 1989 sind 59 Totfunde registriert worden. Erfassung, Sicherung und Bergung erfolgen nicht systematisch. Es gibt keine zentrale/öffentliche Dokumentationsstelle. Hauptgefährdungsursache ist (soweit bekannt) die Verkehrsmortalität. Die Schwerpunkte der Fischottergefährdung durch den Straßenverkehr liegen in den Regionen Havelberg, Naturpark Drömling, Mühlanger und Pouch.

Aus der kontinentalen Region liegen Reproduktionsnachweise bzw. Hinweise auf stabile Populationen vor: Mittlere Elbe in der Region Elb-Havel-Winkel als stabilster Verbreitungsschwerpunkt (HAUER 1996), Drömling (Reproduktionsnachweis regelmäßig seit 2005) und die nördliche Altmark mit Salzwedeler Dumme und Aland. In der Schwarze Elster-Elbe-Region wurde ein stabiles Vorkommen aufgrund der Korridoranbindung zur Lausitz vermutet (HAUER 1996).

Erfassung Verbreitung und Population

Für den Fischotter ist sowohl die Beschreibung der Gesamtpopulation als auch der Habitatgröße über Messgrößen nicht möglich, da es bislang keine geeigneten Methoden zur Ermittlung der Populationsgröße und/oder Individuendichte innerhalb des Verbreitungsgebiets gibt. Die Bewertung des Erhaltungszustands erfolgt daher in erster Linie über die Ermittlung der Gesamtverbreitung. Basis für die Festlegung des Verbreitungsgebietes sind die vom Fischotter besiedelten TK25 bzw. Messtischblätter. Für den aktuellen Berichtszeitraum werden in der EU Daten ab 1990 und bezüglich Sachsen-Anhalts nach der letzten landesweiten Verbreitungserhebung von BINNER et al. (2003) verwendet.

Ergänzend ist die Kombination verschiedener Methoden in Referenzgebieten (DOLCH & TEUBNER 2006) erforderlich. Dadurch können u.a. Daten zur Populationsstruktur, z.B. Reproduktion, ermittelt werden, die sich nicht aus der Erfassung der Gesamtverbreitung (IUCN-Kartierung) ableiten lassen. Des Weiteren ist die Herausarbeitung von Zusammenhängen zwischen Population, Habitatstrukturen und Beeinträchtigungen besser möglich, insbesondere auch eine frühere Erkennung von Trends und deren Ursachen.

Die Messgröße für den Gesamtbestand und die Habitatgröße ist nach PAN & ILÖK (2009b) die Anzahl der TK25-Quadranten.

Landesweite Erfassung

  • Turnus: im 6-jährigen Rhythmus
  • Bezugsraum für das Kriterium Populationsgröße ist das Verbreitungsgebiet der Gesamtpopulation innerhalb der jeweiligen biogeografischen Region
  • Die Ermittlung der Populationsgröße erfolgt anhand der IUCN/SSC OSG – Methode (IUCN/SSC OSG = Otter specialist group der Species Survival Commission [SSC] der International Union for Conservation of Nature [IUCN]) mit 4 – 6 Stichprobenorten (SPO) je TK25 mit einer Suchstreckenlänge von 600 m und einmaliger Erfassung im Untersuchungsjahr. Als Anwesenheitsmerkmale gelten grundsätzlich Sichtbeobachtung, Totfund, Kot und Trittsiegel. Die im Gelände zu erfassenden insgesamt 829 SPO sind landesweit festgelegt (s. Anhang). Für die Geländeerfassung ist ein spezieller Erfassungsbogen vorgegeben (Art- und Habitatparameter — s. Anlage).
  • Totfundauswertung: kontinuierliche Bergung und Sektion sämtlicher Totfunde (unter Berücksichtigung jagdrechtlicher Vorgaben), u. a. mit dem Ziel von Aussagen zur Populationsstruktur und Schadstoffanalytik

Erfassung in Referenzgebieten

  • Turnus: im 6-jährigen Rhythmus, alternierend zur landesweiten IUCN-Kartierung
  • Bezugsraum sind abgegrenzte Referenzgebiete (s.u.) mit einer Größe von wenigstens 100 km² in Abhängigkeit der Gebietsausprägung (vgl. DOLCH & TEUBNER 2006)
  • Nachweise werden in den linearen Referenzgebieten anhand von 1 SPO je 2×2 km–Raster und in flächigen Referenzgebieten anhand von 4 SPO je 5×5 km–Raster ermittelt. Die Suchstrecke beträgt jeweils 200 m ausgehend vom Stichprobenort. Die Kontrollen werden 4 mal pro Untersuchungsjahr (1 mal pro Quartal) durchgeführt. Die Lage der SPO soll eine bessere Bewertung der Eignung des Raumes als potenzielles Reproduktionsgebiet ermöglichen (im Gegensatz zu der mehr auf flächendeckende Präsenznachweise ausgerichteten IUCN-Kartierung). Für die Geländeerfassung ist ein spezieller Erfassungsbogen vorgegeben (Art- und Habitatparameter — s. Anlage).

Optionale Methoden

Ein noninvasives genetisches und hormonelles Monitoring anhand von Kotproben in Referenzgebieten kann wichtige Aussagen zum Reproduktionsgeschehen liefern, ist jedoch aus Kostengründen lediglich als optionale Methode möglich. Telemetrie kann insbesondere zur exemplarischen Klärung von Fragen der Raumnutzung im Zusammenhang mit Habitatqualität und Beeinträchtigungen beitragen. Telemetrie ist daher weniger zur regelmäßigen Bestandsüberwachung geeignet, schafft aber wissenschaftliche Grundlagen für die Interpretation von Monitoringergebnissen sowie für das Schutzmanagement des Fischotters. In diesem Sinne ist Telemetrie ergänzend zum eigentlichen Monitoring sinnvoll. Empfohlen wird die Ermittlung der Raumnutzung von maximal 10 Tieren in einem RG anhand einer Telemetriestudie nach KOELEWIJN (2009).

Erfassung Habitatqualität

Landesweite Erfassung

  • Turnus: im 6-jährigen Rhythmus
  • Nach PAN & ILÖK (2009a) ist die Fläche mit zusammenhängenden und vernetzten Oberflächengewässern, die vom Otter als Lebensraum – Verbindungsgewässer mindestens als Biotopverbund – genutzt werden können zu ermitteln (Erfassung auf Basis der relevanten TK25-Quadranten). Hierfür sind alle TK25-Quadranten hinsichtlich ihrer Lebensraumeignung einzustufen. Zur Bewertung wird die Flächensumme der geeigneten TK25 gebildet.
    Eine länderübergreifende Abstimmung muss erfolgen.

Erfassung in Referenzgebieten

  • Turnus: im 6-jährigen Rhythmus, alternierend zur landesweiten IUCN-Kartierung
  • Schätzung der Gehölzdeckung (Flächenanteil) im Gelände an den SPO (jeweils 25 m breite Streifen beiderseits des Gewässerufers über 1 km Gewässerlänge). Die Lage des Kontrollabschnittes ist bei der Ersterfassung festzulegen und im Weiteren beizubehalten.

Erfassung Beeinträchtigungen

Landesweite Erfassung

  • Turnus: im 6-jährigen Rhythmus
  • Das bei PAN & ILÖK (2009a) angeführte Kriterium Anzahl der Totfunde/Jahr und MTB ist mit den dort verwendeten Grenzwerten z.Zt. in Sachsen-Anhalt nicht anwendbar, da die Besiedlung noch zu gering ist und es bisher keine systematische Totfundsammlung gibt. Eine spätere Anwendung des Kriteriums ist denkbar.
  • Beeinträchtigungen hinsichtlich Verkehrsmortalität werden anhand einer einmaligen Gefährdungsanalyse an Kreuzungsbauwerken (Straßen/Bahn) an Gewässern 1. und 2. Ordnung (ohne große Ströme) beurteilt. Die Anzahl der nicht ottergerecht ausgebauten Bauwerke wird in Beziehung zur gesamten Fließgewässerlänge gesetzt. Im jeweiligen Berichtszeitraum sind Änderungen bzw. Zu- und Abgänge der Bauwerke zu erfassen und ggf. neu zu bewerten.
  • 1 x pro Berichtszeitraum ist die Berücksichtigung der Belange des Fischotterschutzes in der kommerziellen Fischerei beim Einsatz von Reusen (Expertenvotum mit Begründung).
  • Einschätzung von Gewässerausbau und -pflege (ökologischer Zustand) auf Basis der Bewertungen nach der WRRL.
  • Zusätzlich wird das Kriterium „Gewässerausbau und -pflege“, das bei der Geländeaufnahme im Rahmen der IUCN-Kartierung erhoben wird, ausgewertet. Dieses Kriterium erlaubt eine gezielte Berücksichtigung von Aspekte des Fischotterschutzes bei der Gewässerunterhaltung, die bei der Bewertung nach WRRL nicht hinreichend zur Geltung kommen.
  • durch systematische wissenschaftliche Totfundbearbeitung sind die Todesursachen und Schadstoffbelastung (PCB, PBB, OCP, Schwermetalle) kontinuierlich zu überwachen. Eine Beschränkung allein auf PCB (PAN & ILÖK 2009a) ist unzureichend.

Erfassung in Referenzgebieten

  • Alle relevanten Beeinträchtigungen sind durch die landesweite Bewertung abgedeckt bzw. gehen in das Kriterium Habitatqualität ein.